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Fetten

Sooo....mein Lieblingsthema wenn es um die Pflege von Wollwindeln geht: Das Fetten, oder anders gesagt die Wollkur, oder Lanolinkur.

 

 

Warum mich dieser so wichtige Teil der Wollwindelpraxis so aufregt ist, weil dazu so viel Falschinformationen in Umlauf sind. Grob gesagt heißt es immer, dass Wolle "gut" gefettet werden muss, um dicht zu sein. Das ist per se schon richtig so. Nur: "gut" heißt nicht "viel" und "dicht" ist bei Wolle sowieso relativ.  

Weniger ist mehr!

Ich fange am besten gleich mit dieser Eigenschaft der Wolle an. Der Dichtheit. Schaffell ist hydrophob. Das heißt, es ist nicht dafür gemacht Flüssigkeit aufzusaugen, sondern abperlen zu lassen. Das kommt daher, dass es für Schafe einfach irrsinnig blöd wäre, wenn sich die ganze dicke Wollschicht auf ihrem Körper bei Regen vollsaugen würde. Damit das eben nicht passiert, produzieren spezielle Hautdrüsen des Schafs das sogenannte Lanolin, welches sich durch Körperwärme in der Wolle verteilt. Dieses Wollfett hindert die eigentlich sehr offenen Wollfasern daran Wasser aufzunehmen.  

Schafe bleiben bei Regen trocken...

Wenn wir Schafe scheren und die Wolle für uns weiterverarbeiten wollen, wird diese nach einer ersten Vorsortierung gründlich gewaschen. Dabei wird auch das Lanolin ausgewaschen. (Dieses wird dann wiederrum gereinigt um es für die Kosmetik, Medizin, oder eben für unsere Wollwindeln verwenden zu können.)

 

In mehreren Schritten wird aus der Rohwolle ein Garn und dieses kann dann zu dem Stoff verstrickt werden, den ich für Finiwinis vernähe.

Die Struktur der Wollfaser macht sie zu einem Multitalent

Zum besseren Verständnis möchte ich an diesem Punkt nochmal zur Wollfaser zurückkommen. Wie ich oben schon mal geschrieben habe ist diese eigentlich "offen". Also wenn man sich eine einzelne Wollfaser anschaut, dann sieht man eine schuppige Oberflächenstruktur, außerdem ist sie gekräuselt. Das und die chemische Zusammensetzung der Wollfaser ermöglichen es unter anderem, dass Wolle bis zu 30% ihres Eigengewichts an Flüssigkeit absorbieren (aufnehmen) kann ohne sich nass anzufühlen und dass sich Bakterien nicht in ihr wohlfühlen.

Wir müssen den Urzustand der Wollfaser nach ihrer Verarbeitung wieder herstellen

Wenn die Rohwolle, nach mehrere Vorbereitungsschritten, zu einem Faden versponnen wird, dann kann es dazu führen, dass die einzelnen Fasern so sehr miteinander verzwirbelt werden, dass die Faser stark gedehnt wird und die kleinen Schüppchen ganz eng anliegen (auch nicht-mechanische Behandlungen können dazu führen). Das hat dann einerseits den Effekt, dass ein neuer Wollstoff auch wasserabweisend zu sein scheint und – für uns ganz wichtig zu wissen – die erste Lanolinkur noch nicht so richtig aufnehmen kann.

 

Beim Fetten geht es nämlich darum, die Zwischenräume der einzelnen Wollfasern mit Lanolin so zu versperren, dass große Wassertropfen nicht bis zu den kleinen Zwischenräumen vordringen können. Wenn die Schüppchen aber vom Herstellungsprozess noch ganz eng anliegen findet auch das Wollfett keinen Halt.

Entspannung ist der Schlüssel für gutes Gelingen

Es ist also ganz wichtig, dass neue Wollwindeln erst einmal mit ausreichend Wasser und Wollwaschmittel gewaschen werden, um einerseits Produktionsrückstände zu entfernen und andererseits die Fasern zu entspannen. Für weitere Entspannung ist dann das warme Wasser der Wollkur wichtig. Und wenn das bei manchen Strickstoffen auch noch nicht genug Entspannung ist braucht es etwas Bewegung und Wärme: am besten und praktikabelsten ist da einfach, wenn die Wollüberhose vom Baby getragen wird, dann wird der Stoff automatisch sanft in Bewegung gehalten und die Körperwärme unterstützt den Prozess (Achtung: zu nasse Einlagen sind kontraproduktiv! Also bitte einen kurzen Wickelrhythmus einhalten).

 

 

Wer´s übertreibt hat Nachteile

Eine Wollwindel, die nach dem ersten Fetten also noch nicht "dicht" ist, hat nicht zu wenig Lanolin abbekommen, sondern ist noch zu verspannt, um das Lanolin richtig aufzunehmen. BITTE fettet nicht zwei mal hintereinander, so wie ich es oft in Empfehlungen lese! Was passiert nämlich, wenn die Wolle mit zu viel Lanolin konfrontiert wird? Es klebt sich einfach überall dazwischen und darauf und verhindert, dass sich die wichtige Schüppchenstruktur der Wollfasern gut entfalten kann.

Das ist auch das Problem bei überfetteten Windeln durch zu häufiges Fetten und/oder zu hoher Dosierung des Lanolins.

Die Folge ist, dass die Wollfasern die kleinen Wassermoleküle nicht mehr aufnehmen können und dadurch die gute Eigenschaft der Temperaturregulierung einbüßen. Außerdem bietet das unnötige Wollfett einen idealen Nährboden für Keime – die Überhose beginnt unangenehm zu riechen und ist nicht mehr hygienisch.

 

 

So machst du es einfach richtig:

Fetten ist aber trotzdem keine Raketenwissenschaft in der Praxis. Du musst dich nur an die Anleitung halten:

  1. Windel mit Wollwaschmittel waschen.

  2. Wollkur vorbereiten:

  • Dosierung beachten: eine Messerspitze pro Finiwinis OS

  • Lanolin in heißem Wasser vollständig auflösen (in einer Tasse)

  • Emulgieren: am einfachsten mit einem Spritzer Spülmittel. Es geht darum, dass sich das Lanolin mit dem Wasser verbindet. Wenn das Wasser in deiner Tasse nach Zugabe des Spülmittels nicht plötzlich schneeweiß wird, hats nicht funktioniert. Dann kannst du das wegkippen und nochmal anfangen, am besten mit einem fettlöslicherem Spülmittel. Das ist wichtig, weil sonst auch wieder das Problem besteht, dass die Wolle die Kur nicht richtig aufnehmen kann und nur verklebt.

  • Die Lanolinemulsion in einen Behälter mit so viel warmen Wasser kippen, dass die Windel gerade bedeckt darin baden kann

  1. (vom Waschen nasse) Windel langsam ins warme Fettbad gleiten lassen, eventuell mit der Tasse von vorhin beschweren, damit sie untergetaucht bleibt

  2. Drin lassen bis das Wasser vollständig erkaltet ist

  3. Windel rausnehmen und vorsichtig ausdrücken

  4. Nasse Windel flach auf ein Handtuch legen und einrollen. Rolle fest drücken, damit das restliche Wasser rausgeht.

  5. Windel liegend auf einem Wäscheständer vollständig trocknen lassen.

  6. Wenn alles geklappt hat, sollte sich die Überhose weich und angenehm anfühlen (nicht klebrig)

 

Für den weiteren Gebrauch kannst du dich auf dein Gefühl verlassen. Wenn die Überhose längere Zeit keinen Stuhlkontakt hatte und deswegen nicht gewaschen werden musste, kannst du dich an der Haptik der Wolle orientieren. Wenn sie beginnt sich trocken anzufühlen braucht sie Pflege – also Waschen und Fetten.

Wenn du sie oft hintereinander waschen musst, weil immer wieder die selbe Windel fürs große Geschäft herhalten muss ( das kommt tatsächlich vor ;-)), dann wäre es gut, wenn du sie mit Wollfettseife nur punktuell reinigen kannst um ein mehrmaliges komplettes Fetten in kurzen Abständen zu verhindern.

 

 

Über "Dichtheit" an anderer Stelle mehr

Um dich hier nicht mit einem kompletten Roman zu überwältigen verlege die restlichen Ausführungen zur "Dichtheit" der Wolle in einen eigenen Beitrag.

 

 

Bei Wissen kann mehr mehr sein!

Ich möchte es dir mit diesen ganzen Hintergrundinfos nur leichter machen, zu verstehen, warum der richtige Umgang mit Wolle wichtig ist. Auch wenn dir das beim Lesen vielleicht umfangreich und kompliziert vorkommt – in der Praxis ist es so einfach wie Teekochen, wenn man sich an die Anleitung hält. Und wenn man es ein paar Mal gemacht hat denkt man gar nicht mehr darüber nach und schaukelt es quasi nebenbei.

 

 

 Mit der falschen Anleitung aber wird es oft umständlich und funktioniert nicht – dann wird im kommunikativen Austausch die Wollwindel fälschlicherweise als unpraktisch dargestellt und das verärgert mich natürlich.

 

Also erzählts es allen weiter: Wolle ist super und bei Finiwinis bekommt man fundierte Erklärungen dazu!